26. April 2016

Das Allerschönste

Abends, wenn ihre kleine Schwester grade eingeschlafen ist, lege ich mich für einen Moment zu meiner großen Tochter und wir plaudern und kichern. Es ist meist die einzige Zeit des Tages, die wir nur zu zweit miteinander verbringen. Diese Minuten sind ihr heilig. Und ganz gleich wie schwierig der Tag gewesen sein mag, unser gemeinsamer Moment verbindet uns jeden Abend tief. 
 
Kleine Geschichten und Nöte aus ihrem Alltag kommen an die Oberfläche und Fragen, die noch keinen Platz gefunden haben. Gerne fragt sie mich auch: 'Mama, was war heute das Allerschönste für Dich?' Und dann erzählt sie ihrerseits von ihren größten Freuden. Und immer wieder bin ich erstaunt über die Einfachheit ihres Glücks - der gefunden Stock mit gebogenen Spitze, so perfekt zum Malen im Sand, das Hinkepinke-Spiel mit mir, ein gemeinsame Abendessen, bei dem alle sehr gelacht haben, das Wasserfarbenmalen im Kindergarten, die neuen Zähne der Schwester.
 
Ihr Blick hilft mir, das Glück in den kleinen Alltagsdingen zu sehen: In der ruhigen Mittagsstunde, während Schnee(!) und Sturm ums Dach pfiffen, die Spülmaschine leise surrend ihre Arbeit tat und ich diesem noch namenlosen Puppenkind für meine Nichte zu langem Haar und Kleidung verhalf.
 
Herzlichst, Lena
 
waldorfpuppe, lange haare puppe
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19. April 2016

Refugium

Als ich dreizehn war, hatte ich einen Babysitter-Job: Zwei kleine Jungs, Katzen, Hühner, Pferde, ein Garten und ein altes Haus gehörten zur Familie. Das Durcheinander, über welches meine Arbeitgeberin klagte, sah ich nicht. Ich fühle mich dort wohl. Das Haus war voll Leben - Bücher, Musikinstrumente, Freunde, Spielsachen, Essen aus dem Garten, Kinderlachen.... alles purzelte froh durcheinander. 
 
Aber es gab einen Raum, der war anders. Fast geheim. Fast verboten. Eine schmale Stiege führte vom oberen Stock weiter hinauf unter das Dach. Lange vermutete ich eine Abstellkammer dort oben. Nie sah ich jemanden hinauf gehen. Nie wurde der Raum erwähnt.
 
Schließlich fragte man mich, ob ich die Kinder einmal über Nacht hüten könne. Und zum allerersten Mal wurde ich die geheimnisvollen Stufen hinauf unters Dach geführt. Hinein in ein winziges Stübchen mit spitzzulaufenden Wänden, direkt unter dem Giebel gelegen. Es gab ein schmales Bett, ein Meditationskissen, ein niedriges Tischchen, einige Bücher, einige schöne Steine und einen kleinen frischen Wiesenblumenstrauß. Die Fenster in den Dachschrägen zeigten nur den Himmel.
 
Dieser kleine Raum war wie ein Nest ganz oben im Wipfel eines großen Baumes, wie der Ausguck im Mast eines geschäftigen Schiffes. Eine beruhigende, ja fast andächtige Stille ging von ihm aus. Ich betrat ein Refugium, ein kleines Heiligtum. Das bemerkte ich, ohne es zu verstehen.
 
Ich habe dort oben viele Male gut und ruhig geschlafen - während der Regen in Wellen um den First strich, während der Wind im Giebel pfiff, während die Sterne still auf mich herunter leuchteten und die Sonne früh den Himmel in rotes Leuchten tauchte. Dort gelang mir ein unaufgeregtes, einfaches zur Ruhe legen nach Tagen voller Leben und Lärm.
 
Nach diesem Raum sehne ich mich. Ein Rückzugsort - leer, still, der täglichen Unordnung entrückt. Ohne Kekskrümel, ohne Lego-Teile, ohne Wäschestapel, ohne Pfannkuchengeruch. Vielleicht können wir einen solchen Raum auch in uns selbst schaffen? Vielleicht können wir dort Klarheit und Ruhe einziehen lassen? Vielleicht bedarf es dazu nicht mehr, als ein paar Minuten auf der Yoga-Matte oder eines Spaziergangs (in den Boberger Dünen)? In meinem kleinen, heiligen Winkel jedenfalls, den ich mir eigens zum Stricken und Lesen eingerichtet hatte, steht zurzeit der Wäscheständer.
 
Ein neues Puppenmädchen schlüpft ganz langsam in unsere Frühlings-Welt. Heute hat sie flauschiges Haar bekommen. An meinem Bett liegt derzeit Christiane Kutiks 'Spielen macht Kinder stark'. Ich komme kaum über eine halbe Seite pro Abend hinaus. Der Frühling macht mich müde. Und woran tüftelt ihr?
 
Herzlichst, Lena
 



12. April 2016

Wilde Zeiten

Spring is here - the birch trees turned green over night and the girls are getting up with the birds. I feel tired but happy. We are riding our bicycles every day and explore the flea markets in the neighborhood. While the children paint the streets with chalk I'm busy knitting dolls cardigans. I finished the bubble hat and we love it. Everything seems green and pink. I'm reading the new book by Julie Zeh 'Unterleuten'. Is your spring slightly crazy too? - crazy in a good way!

Nun ist er doch eingetroffen, der Frühling! Über Nacht haben sich unsere Birken in kaum ahnbares Grün geworfen und die Kinder stehen seit einigen Tagen mit den Vögeln zusammen auf. Früheres Schlafenlegen meinerseits wäre eine gute Idee, doch kann ich mich abends nur schwer von meinen Freiheiten trennen. Und von Juli Zehs 'Unterleuten'
 
Die Frühlingsmütze ist fertig und wird geliebt - vom Kind und von mir. Überhaupt scheint mir alles hellgrün und rosa. Wir jagen auf den Nachbarschaftsflohmärkten, malen die Straßen bunt, fahren Rad ohne Mütze und essen Eis! Das Aufblühen der Natur und die machtvolle Rückkehr des Lichts öffnen die Sinne und gleichzeitig erschöpfen sie mich in ihren hiesigen Ausprägungen. Sinnvolle(re) Erzählungen und neue Bilder gibt es hier hoffentlich nächste Woche, wenn sich die Frühlings-Verrücktheit etwas gelegt haben mag. Erlebt ihr auch so wilde Zeiten? 
 
Herzlichst, Lena

Edit:
Mützenmuster Bubbles von Big Red Baloon (mit einigen Änderungen), Garn Tern von Quince & Co.
Strickjacken: Hand-me-down (klein) und auf dem Flohmarkt gefunden (groß).
Auf den Nadeln: Puppenjacke aus allerlei Garnresten.
Ausflug: Bis Buchenkamp mit der U-Bahn, dann zu Fuß durch den Wald bis zum Gut Wulfsdorf.





 
 
 
 
verlinkt mit creadienstag und maschenfein und yarnalong

5. April 2016

Texture

I'm a little crazy about all kinds of bubbles and popcorns and blackberries and little stars lately. Textured  stitches and patterns are my new knitting love. What are your favorite stitch patterns? Can you recommend more of these lovelies? And thank you so much for your kind emails and questions regarding my wellbeing: we are all happy and healthy! Life is just so colorful and busy I hardly find any time for thinking or writing. We've spent a sweet family time at the south eastern corner of Portugal and now are finally welcoming spring at this side of the world.

I'm reading 'Glückskind mit Vater' the new novel by Christoph Hein. It's not a comfortable or comforting read. As the story unfolds it gets more and more daunting how sometimes our life and biography is shaped or even haunted by the life and history of our forefathers and parents.

Hat pattern: After BigRedBalloon - with numerous alterations, popcorn pants - freestyle by myself, star-stitch after a video by Eliza.  

Ich bin grade ein wenig verrückt nach Strickmustern, die eine strukturierte Oberfläche ergeben - habt ihr da auch einige Lieblinge, die ihr empfehlen mögt? Wir sind hier ganz besonders entzückt von den Wellen und Sternchen. Angefangen hatte diese Vorliebe letztes Jahr mit der Popcorn-Hose. Vielleicht ist das meine Frühlingsmeise? Und danke für eure lieben und teils besorgten Nachfragen: Es geht uns gut und wir sind alle gesund und munter. Das pralle Leben allein verhindert mein Schreiben. Nach einer herrlichen Familienzeit in wilden Südwesten Portugals ist hier nun endlich der Frühling eingetroffen und treibt uns hinaus - immer nur hinaus!

Abends lese ich jeweils wenige Seiten von Christoph Heins neuem Roman 'Glückskind mit Vater'. Die Geschichte mäandert und zieht immer dunklere Kreise um den Protagonisten, dessen Leben und Biografie durch die Schuld, die sein Vater, ja die ganze Elterngeneration auf sich geladen haben, geformt wird.
 
Herzlichst, Lena